Vigy, 13.09.2009
Symposium: Wundersame Geburten – Teil 4:

Johannes der Täufer

Liebe Geschwister. Im vierten Teil unseres Symposiums über die wundersamen Geburten einiger Männer Gottes wollen wir die Geschichte der Ankunft Johannes des Täufers betrachten. Bevor wir uns mit einigen Details dieser wunderschönen Lehre befassen, wollen wir sie fast vollständig im Lukasevangelium gemeinsam lesen – Luk 1:5-80

1,5 Es war in den Tagen des Herodes, des Königs von Judäa, ein Priester mit Namen Zacharias, aus der Abteilung des Abia; und seine Frau war aus den Töchtern Aarons und ihr Name Elisabeth. 1,6 Beide aber waren gerecht vor Gott und wandelten untadelig in allen Geboten und Satzungen des Herrn. 1,7 Und sie hatten kein Kind, weil Elisabeth unfruchtbar war; und beide waren in ihren Tagen weit vorgerückt. 1,8 Es geschah aber, als er in der Ordnung seiner Abteilung den priesterlichen Dienst vor Gott verrichtete, 1,9 traf ihn, nach der Gewohnheit des Priestertums, das Los, in den Tempel des Herrn zu gehen, um zu räuchern. 1,10 Und die ganze Menge des Volkes stand betend draußen zur Stunde des Räucherns.

1,11 Ihm erschien aber ein Engel des Herrn und stand zur Rechten des Räucheraltars. 1,12 Und als Zacharias [ihn] sah, wurde er bestürzt, und Furcht kam über ihn. 1,13 Der Engel aber sprach zu ihm: Fürchte dich nicht, Zacharias! Denn dein Flehen ist erhört: Elisabeth, deine Frau, wird dir einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen Johannes nennen. 1,14 Und er wird dir zur Freude und Wonne sein, und viele werden sich über seine Geburt freuen. 1,15 Denn er wird groß sein vor dem Herrn; weder Wein noch starkes Getränk wird er trinken und schon von Mutterleibe an mit Heiligem Geist erfüllt werden. 1,16 Und viele der Söhne Israels wird er zu dem Herrn, ihrem Gott, bekehren. 1,17 Und er wird vor ihm hergehen in dem Geist und der Kraft des Elia, um der Väter Herzen zu bekehren zu den Kindern und Ungehorsame zur Gesinnung von Gerechten, um dem Herrn ein zugerüstetes Volk zu bereiten. 1,18 Und Zacharias sprach zu dem Engel: Woran soll ich dies erkennen? Denn ich bin ein alter Mann, und meine Frau ist weit vorgerückt in ihren Tagen. 1,19 Und der Engel antwortete und sprach zu ihm: Ich bin Gabriel, der vor Gott steht, und ich bin gesandt worden, zu dir zu reden und dir diese gute Botschaft zu verkündigen. 1,20 Und siehe, du wirst stumm sein und nicht sprechen können bis zu dem Tag, da dies geschehen wird, dafür dass du meinen Worten nicht geglaubt hast, die sich zu ihrer Zeit erfüllen werden.

1,21 Und das Volk wartete auf Zacharias, und sie wunderten sich, dass er so lange im Tempel verweilte. 1,22 Als er aber herauskam, konnte er nicht zu ihnen reden, und sie erkannten, dass er im Tempel ein Gesicht gesehen hatte. Und er winkte ihnen zu und blieb stumm. 1,23 Und es geschah, als die Tage seines Dienstes zu Ende waren, ging er weg nach seinem Haus. 1,24 Nach diesen Tagen aber wurde Elisabeth, seine Frau, schwanger und zog sich fünf Monate zurück und sagte: 1,25 So hat mir der Herr getan in den Tagen, in denen er [mich] angesehen hat, um meine Schmach vor den Menschen wegzunehmen.

Wir wollen ab Vers 57 weiterlesen:

1,57 Für Elisabeth aber erfüllte sich die Zeit, dass sie gebären sollte, und sie gebar einen Sohn. 1,58 Und ihre Nachbarn und Verwandten hörten, dass der Herr seine Barmherzigkeit an ihr groß gemacht habe, und sie freuten sich mit ihr. 1,59 Und es geschah am achten Tag, da kamen sie, das Kindlein zu beschneiden; und sie nannten es nach dem Namen seines Vaters Zacharias. 1,60 Und seine Mutter antwortete und sprach: Nein, sondern er soll Johannes heißen. 1,61 Und sie sprachen zu ihr: Niemand ist in deiner Verwandtschaft, der diesen Namen trägt. 1,62 Sie winkten aber seinem Vater zu, wie er etwa wolle, dass er heißen sollte. 1,63 Und er forderte ein Täfelchen und schrieb darauf: Johannes ist sein Name. Und sie wunderten sich alle. 1,64 Sogleich aber wurde sein Mund aufgetan und seine Zunge [gelöst], und er redete und lobte Gott. 1,65 Und Furcht kam über alle, die um sie her wohnten; und auf dem ganzen Gebirge von Judäa wurden alle diese Dinge besprochen. 1,66 Und alle, die es hörten, nahmen es zu Herzen und sprachen: Was wird wohl aus diesem Kindlein werden? Denn auch des Herrn Hand war mit ihm.

Zuletzt noch Vers 80:

1,80 Das Kindlein aber wuchs und erstarkte im Geist und war in der Einöde bis zum Tag seines Auftretens vor Israel.

Was für eine wunderbare Geschichte! Kein Wunder, denn sie betrifft die Geburt des größten Menschen, der bis zur damaligen Zeit auf der Erde geboren worden war. Auf diese Weise äußerte sich sein um ein halbes Jahr jüngerer Cousin, Jesus, über Johannes: 11,11 Wahrlich, ich sage euch, unter den von Frauen Geborenen ist kein Größerer aufgestanden als Johannes der Täufer" – Mat. 11:11.

Die Wahl Gottes

Zacharias war Priester, und seine Frau stammte von den Töchtern Aarons ab, d.h. ebenfalls aus dem Stamm der Priester, und zwar aus einem, der sich zusätzlich mit einem gut dokumentierten Stammbaum rühmen konnte. Es muss eine bekannte und wichtige Familie in Israel gewesen sein. Möglicherweise war sie sogar wohlhabend, auch wenn wir nichts darüber wissen. Wir wissen dagegen, dass sie "in ihren Tagen weit vorgerückt waren". Wie alt konnten sie wohl sein? Zacharias war sicherlich kein Greis, denn sonst hätte er nicht im Tempel dienen können. Das war eine recht schwere und verantwortungsvolle Arbeit. Die Leviten unterlagen in ihrem Dienst einer Altersbeschränkung von 50 Jahren. Die Priester unterlagen keiner derartigen Einschränkung, denn Aaron diente selbst im Alter von 120 Jahren. Aber das waren andere Zeiten gewesen. Zur Zeit Zacharias galt gewiss die biblische Grenze des "Rentenalters", d.h. 60 Jahre (nach 3. Mose 27:3). Wir können also annehmen, dass Zacharias und seine Frau Elisabeth etwa in diesem Alter waren, und sie hatten keine Kinder. Bestimmt wollten sie gerne Kinder haben, denn in der damaligen Zeit wünschte sie sich jeder, hatten aber bereits die Hoffnung aufgegeben. Wir erinnern uns, wie Anna, die Mutter von Samuel, um ein Kind betete. Ob Elisabeth wohl noch betete? Wir wissen es nicht. Wir wissen aber, dass sie sich wegen ihrer Unfruchtbarkeit geschmäht fühlte und bestimmt darunter litt.

Der Priester Zacharias wurde durch das Los zum Dienst erwählt. So verlangte es der Brauch. In der damaligen Zeit gab es in Israel 7200 Priester, die in 24 wöchentliche Schichten eingeteilt waren. Dies bedeutet, dass während einer Schicht 300 Priester 7 Tage lang dienten. Man wählte sieben oder vierzehn von ihnen durch Losen zum täglichen ehrenvollen Dienst des Räucherns im Heiligen aus. Man räucherte zwei Mal pro Tag. Eine Schicht diente insgesamt zwei Wochen lang in einem Jahr (im Tempel). Wenn man annimmt, dass diejenigen, die bereits gedient hatten, vom Losen ausgenommen wurden und dass das Abendräuchern von einem anderen Priester als das Morgenräuchern durchgeführt wurde, so erhielt ein einzelner Priester – wenn er gesund und belastbar war – dieses Privileg höchstens ein Mal in elf Jahren. Falls man jedoch alle 300 Priester bei der Wahl berücksichtigte, so könnte es sein, dass einzelnen ein Leben lang der Zutritt zum Heiligen und dem Goldenen Räucheraltar verwehrt blieb.

Zacharias war durch das Los ausgewählt worden, aber sein Dienst war kein Zufallswerk. Gott hatte alle Umstände so gelenkt, dass der Priester im vorgerückten Alter seine einmalige Chance erhielt. Das war nicht nur wegen seiner "beruflichen Karriere" für ihn wichtig, sondern auch, weil Gott mit ihm noch etwas zu regeln hatte. Aber warum musste sich das im Tempel zutragen? Weshalb wurden solche ehrenhaften Leute als Eltern gewählt; weshalb waren sie alt, weshalb hatte Gott Zacharias nicht erst gefragt, ob er noch ein Kind haben will?

Die Geschichte der nächsten wundersamen Geburt – der Geburt Jesus – kennen wir sehr gut. Der selbe Engel hatte sich in das verschmähte Nazareth bemüht, in ein gewöhnliches Haus, in eine schlichte Arbeiterfamilie. Offenkundig wartet er auf die Zustimmung der Frau, die damals ein junges Mädchen war und sich auf das Eheleben und die Mutterschaft vorbereitete. Die Geburt sollte nicht in einem prunkvollen Palast stattfinden, noch nicht einmal in einem Haus, sondern auf der Reise, am Wegesrand, in einem Viehstall. Hier trägt sich alles anders zu. Adlige Abstammung, alte, ehrenwerte Eltern, sicherlich ein reiches Haus, das schon längst die Hoffnung auf einen Erben aufgegeben hatte. Warum?

Am Rande des Alten und Neuen Testaments gewährt Gott einen kleinen Einblick in das Geheimnis, das die neuen Grundsätze seines Handelns betrifft. Der letzte aus dem "Haus der Diener" kommt in einem noblen Haus, lang erwartet und im Tempel angekündigt zur Welt. Der erste aus dem "Haus der Söhne" kommt auf unscheinbare Weise zur Welt. Seine Geburt in der Stallkrippe wird zuerst den Hirten und den heidnischen Königen verkündet. Der Schatz der Neuen Natur sollte in einem jämmerlichen Tongefäß verborgen werden, während die alten Wahrheiten des Gesetzes noch die gehobene Sprache der Priester und Propheten sprachen. Dennoch sollte sich der größte Prophet als kleiner als der Kleinste im Reich der Himmel erweisen. (Mat. 11:11)

Fragen, die die göttliche Wahl betreffen, sind schwierig. Durch das Los deutete Gott auf Zacharias Familie, ohne um ihre Einwilligung zu bitten. In was sollten sie den einwilligen? Gewiss, sie wollten ein Kind haben, und es ist immer ein Privileg, von Gott auserkoren zu werden. Aber Zacharias war sicherlich zu alt und zu gut ausgebildet, um sich nicht im Klaren darüber zu sein, was es bedeutete "in dem Geist des Elia" zu wandeln. Es bedeutete so viel wie Wanderleben, Vertreibung, Lebensbedrohung, Gefängnis, möglicherweise sogar den vorzeitigen Tod. Der Geist des Elias steht für das Fehlen eines Privatlebens, einer Familie, des Nachwuchses, jämmerliche Nahrung, Kleidung und Unterkunft – das Fehlen eines Platzes in dieser Welt. Vielleicht bedeutete Gottes Wahl in diesem Fall auch, dass das Kind seine alten Eltern schnell verlieren und alleine auf der Welt bleiben sollte um unter Fremden in der Wüste aufzuwachsen. Wundert es uns dann noch, dass Zacharias Herz möglicherweise von Zweifeln erfüllt war und dem stillen Vorwurf: Herr! Jetzt? Warum nicht 40 Jahre früher?

Die gleichen Fragen stellte sich manchmal sicherlich auch Abraham. Vielleicht lachte deswegen auch seine Frau Sara, als sie erfuhr, dass sie mit etwa hundert Jahren schwanger werden und ein Kind großziehen sollte. Gott ließ Zacharias, wie Abraham, lange auf einen Erben warten. Vielleicht hielt er sich an einen bestimmten Zeitplan. Aber es gab doch so viele andere, jüngere ehrenhafte Familien in Israel. Es wäre für Gott überhaupt kein Problem gewesen, eine jüngere Mutter zu finden. Maria, die Mutter Jesus, war beispielsweise sehr jung. Offenbar wollte Gott, dass der Größte der Propheten alte Eltern bekommt und bereits als Kind nach ihrem Tod allein bleibt. Gott wollte, dass er in der Wüste aufwächst und jung stirbt, mit etwa 30 Jahren, infolge einer weiblichen Laune. Vielleicht wollte er nicht, dass die Eltern seinen Tod ansehen müssen. Vielleicht ging es aber auch darum, dass die Erwartung den Glauben stärken sollte und zeigen sollte, wie geduldig Gott ist, wenn er auf unsere richtigen Entscheidungen wartet. Gott wollte, dass es so und nicht anders ist. Fragen, die die göttliche Wahl betreffen, sind schwierig.

Möglicherweise stellen sich Menschen, die zu schwierigen Aufgaben berufen werden, solche Fragen nicht: Warum ich, warum muss ich auf mein Privatleben verzichten, warum muss ich leiden, warum soll ich jung sterben. Vielleicht haben sie keine Zweifel. Vielleicht warf Johannes Gott nicht vor, dass er ihn, ohne zu fragen, seinen Privatlebens beraubt hatte, dass er ihm keine Möglichkeit gegeben hatte, die von ihm geschaffene irdische Welt zu genießen. Gott erfüllte ihn vom Mutterleibe an mit dem Heiligen Geist, ohne irgendwen nach seiner Meinung zu fragen. "Oder hat der Töpfer nicht Macht über den Ton, aus derselben Masse das Gefäß zur Ehre und das andere zur Unehre zu machen?" (Röm. 9:21). Johannes erfüllte mit Überzeugung seine ehrenvolle Mission. Alles in Allem hatte er doch eine Wahl, denn er hätte noch als Erwachsener einen Rückzieher machen können. Aber er tat es nicht. Er wurde der größte unter den Propheten. Er verzichtete auf ein Privatleben, Genüsse und Annehmlichkeiten. Er litt und starb einen Märtyrertod. Muss der Preis dafür, dass Gott jemanden zur Erfüllung seiner speziellen Missionen auswählt, immer so hoch sein?

Tevye aus "Anatevka" sagte Folgendes zu Gott, als neben anderen Sorgen auch noch sein Pferd zu humpeln anfing: "Ich weiß, ich weiß, wir sind ein auserwähltes Volk, aber könntest Du nicht für eine gewisse Zeit jemand anderen auswählen?" Nur wenige von uns haben das Gefühl, zu einer bestimmten, konkreten göttlichen Mission auserwählt worden zu sein. Dennoch fühlen wir uns auserwählt. Manchmal überrascht uns aber die Tatsache, dass die göttliche Wahl auf uns gefallen ist, dass es manchmal so spät passiert, dass wir als Auserwählte etwas entbehren müssen, dass wir manchmal leiden müssen. Wenn das Feuer, das über uns fegt, beginnt uns fremd zu erscheinen (1 Petr. 4:12), dann sollten wir an Abraham, an Israel, an Tevye, und auch an den alten Priester Zacharias denken, dessen Sohn, der im Geiste des Elia wandeln sollte, von Gott zum Propheten ausgewählt wurde.

Der Verlust des Sprachvermögens

Es ist schwer zu sagen, ob Zacharias während der kurzen Begegnung mit Gabriel, der ihm von der bevorstehenden Geburt seines Sohnes erzählte, die Zeit hatte, all das zu bedenken. Wir wissen nur, dass er erschrak. Er erschrak sicherlich vor Allem deshalb, weil er jemanden an einem Ort sah, an dem er niemanden zu sehen erwartete. Jeder würde da erschrecken. Aber das Herz des alten Priesters muss von Verbitterung oder Zweifel erfüllt gewesen sein, da er ja misstrauisch fragte: "Woran soll ich es erkennen?" Und ich frage erneut: Wundert uns diese Frage? Einige Helden der biblischen Geschichten baten Gott um Zeichen und erhielten sie ohne dafür getadelt zu werden. Offensichtlich muss die Frage Zacharias sehr zweifelnd geklungen haben und deshalb verurteilte Gabriel den Vater des Größten aller Propheten zu neun Monaten Schweigen.

Das Bild eines stummen Propheten ist in der Bibel aus der Geschichte der göttlichen Offenbarung bekannt. Hesekiel, der Autor eines herrlichen Prophetenbuchs, war sieben Jahre lang stumm (5.04.05-5.10.12 – Hes. 1:1-2, Hes. 3:26, Hes. 33:21-22). Der Herr öffnete seine Lippen nur dann, wenn er dem Volk etwas zu verkünden hatte. Die im Rahmen seiner Reden ausgesprochenen Worte in den Kapiteln 1 bis 33 seines Buchs kann man in wenigen Stunden durchlesen, wohingegen sieben Jahre mehr als 60 Tausend Stunden umfassen. Wir kennen auch Hiob, der an einem bestimmten Punkt seiner Meditationen über sein Leid die folgenden dramatischen Worte ausspricht: "Siehe, zu gering bin ich! Was kann ich dir erwidern? Ich lege meine Hand auf meinen Mund" (Hiob 40:4). Manchmal wirkt Schweigen stärker als Sprechen. Hesekiel übermittelte beispielsweise einige Prophezeiungen durch Gesten, Handlungen, Verhaltensweisen. Auch Zacharias verwendete Zeichen, um zu verdeutlichen, dass er eine Vision gehabt hatte. Er musste Elisabeth auch irgendwie die Nachricht übermitteln, dass sie einen Sohn bekommen würden und dass sie ihn, entgegen der Familientradition, Johanan, d.h. "Der Herr hat sich erbarmt" nennen müssten. Abgesehen davon schwieg der Greis neun Monate lang.

Fehlender Glaube führt zum Schweigen. Wenn wir einer Sache nicht sicher sind, vermeiden wir es, uns zu dieser Sache zu äußern. Das ist eine sehr überzeugende Regel. Das Problem besteht darin, dass wir uns dessen, was Gott sagt, sicher sein sollten. Leicht gesagt! Woran sollen wir denn erkennen, wann und was Gott sagt. Wenn wir beispielsweise während unseres Abendgebets hören würden: Tu das und das, würden wir diese Stimme sofort als eine Botschaft von Gott anerkennen? Würden wir nicht eher denken, dass etwas mit unserem Geist nicht in Ordnung ist? Doch wer von uns hat je eine Wunderstimme gehört oder einen Engel gesehen? Wir können unseren Glauben aber auch anders prüfen.

Manchmal behaupten wir, dass wir von gewissen in der Bibel enthaltenen wahren Thesen überzeugt sind. Wir haben sie der Heiligen Schrift entnommen, wir haben Kommentare dazu gelesen, sie erfasst und angenommen. Aber in Gesprächen schweigen wir trotzdem zu diesen Themen. Wir verkünden diese Thesen nicht anderen Menschen, die sie noch nicht kennen oder sich offensichtlich gegen sie richten. Bedeutet dies nicht, dass unser Glaube zweifelhaft ist? Als Bruder Russell im Jahre 1876 von Barbour und Paton erfuhr, dass die Kirche in zwei Jahren entrückt würde, ließ er alles stehen und reiste zwei Jahre lang in ganz Amerika herum, um den Christen zu verkünden, dass es die letzte Chance zur Bekehrung war. Er schwieg nicht, denn er glaubte. Zwei Jahre später zeigte sich jedoch, dass die Kirche nicht entrückt worden war. Barbour wendete sich ab, beschäftigte sich mit anderen Dingen, und Br. Russell dachte über diese Angelegnheit nach, änderte seine Überzeugung und schwieg nach wie vor nicht. Das Schweigen in Bezug auf die Wahrheit ist ein Zeichen des Zweifels. Wir haben das Recht zu zweifeln. Aber wenn wir immer und gänzlich schweigen, dann bedeutet es, dass wir an nichts glauben.

Zacharias schwieg länger als neun Monate, aber als Gott ein Wunder bewirkte, so dass er sprechen konnte, dienten seine ersten Worte dem öffentlichen Lob Gottes: "Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels, daß er sein Volk angesehen und [ihm] Erlösung geschafft hat." (Lukas 1:68) – Baruch Adonaj, Elohej Israel! Auch uns kann etwas ähnliches widerfahren. Manchmal haben wir das Bedürfnis, uns in geistiges Schweigen zu hüllen, da wir unserer Überzeugungen nicht völlig sicher sind, doch Gott kann auf wundersame Weise bewirken, dass wir anfangen zu sprechen. Und dann sollten unsere ersten Worte dem öffentlichen Lob des Herrn dienen, und wenn dieser nur vor der Familie und den Nachbarn ausgesprochen wird.

Die Namensgebung

Die Lippen Zacharias öffneten sich, als er zwei hebräische Worte auf einer Tafel niederschrieb: "Johanan Schemo", d.h. "Der Herr erbarmte sich – soll sein Name sein". Der hebräische Name Johanan wird in unsere Sprachen folgendermaßen übersetzt: "Der Herr erbarmte sich". Ähnliche Worte hatten bereits die Verwandten und Nachbarn von Elisabeth ausgesprochen, denn wir lesen: "Und ihre Nachbarn und Verwandten hörten, daß der Herr seine Barmherzigkeit an ihr groß gemacht habe, und sie freuten sich mit ihr." (Luk. 1:58) Doch sie wollten dem Kind den Namen Zacharias geben, denn so hieß sein Vater. Zacharias (Strong 2148) bedeutet: "Der Herr erinnert sich". Auch das ist ein sehr schöner Name. Der größte unter den Propheten sollte aber anders heißen: Johanan, der Sohn Zacharias, d.h. "Der Herr hat sich erbarmt, denn er erinnert sich."

In unserer europäischen Kultur misst man den Namen keine allzu große Bedeutung bei. Der Name ist einfach eine Bezeichnung für den konkreten Menschen. Manchmal erinnert er an eine berühmte Persönlichkeit, manchmal gefällt uns einfach nur sein Klang. Kaum jemand denkt an die Bedeutung des Namens, das er seinem Kind gibt. Die in unserer Kultur gängigen Namen stammen meistens aus anderen Sprachen und werden nicht direkt mit ihren ursprünglichen Bedeutungen verknüpft. Trotz dieses kulturellen Wandels lohnt es sich, an die biblischen Gepflogenheiten in Bezug auf die Namensgebung zu denken. In dem von uns besprochenen Fall wurde der Name für das Kind von Gott ausgewählt und war sicherlich dazu bestimmt, gewisse symbolische Inhalte zu vermitteln: Gott hatte sie nicht vergessen, Gott hatte sich erbarmt. Er erbarmte sich Elisabeths, damit die Leute nicht sagten, dass Er sie mit Unfruchtbarkeit strafte. Er erbarmte sich auch des Volkes Israel, das so lange auf den verheißenen Engel gewartet hatte, der ihm den Weg zum Angesicht Gottes bereiten sollte. (Mal 3:1). Er erbarmte sich auch unser, indem er den Weg der Verdammung gemäß der Taten abschnitt und den Pfad der Rechtfertigung durch den Glauben freilegte, der durch den Vorhang des Leibes Christi direkt zum Tempel führt.

Möglicherweise können auch wir auf diese Weise gewisse Wahrheiten und Regeln offenbaren, indem wir unseren Kindern bedeutende Namen geben. Vor Kurzem wurde in unserer Versammlung ein kleiner David geboren, d.h. "Der Geliebte". Tatsächlich ist er der Liebling seiner Eltern, der ganzen Familie und sogar der ganzen Versammlung. Etwa zeitgleich wurde im Kreis der Geschwister in Polen ein Nikodemus geboren, d.h. "das siegreiche Volk". Es ist wunderbar, wenn wir in unserem Leben die Möglichkeit haben, den Inhalt unseres Namens bewusst umzusetzen. Mein Name, Daniel, bedeutet "Gott ist mein Richter". Einerseits vermittelt er das Gefühl der Freiheit, denn die Menschen haben kein Recht, über mich zu urteilen, andererseits steht er für Furcht, denn meine Taten werden von Gott selbst beurteilt.

Was dachte wohl Johannes der Täufer, d.h. Johanan HaMetabel, über die Bedeutung seines Namens, als er die Menschenscharen sah, die an den Jordan strömten, um getauft zu werden. Sicherlich sah er in den wenigen Monaten, in der seine Mission eine solche Popularität gewonnen hatte, mit Freude, in welchem Maße "Gott sich über sein Volk erbarmt hatte". Andererseits wartete er auf Gottes Erbarmen, als er im Gefängnis des Herodes saß. Doch er wartete vergeblich. War sein Märtyrertod auch ein Zeichen des Erbarmens? Möglicherweise war es das. Gott, der das Ende von Anfang an kennt, ist in der Lage, sogar solche drastischen Entscheidungen zu treffen. Und uns Menschen, für die die Zukunft sich wie der zusammengerollte Teil einer Schriftrolle darstellt, bleibt nur das Vertrauen – selbst dann, wenn es schwer fällt, Gottes Kriterien für die von Ihm getroffenen Entscheidungen zu verstehen.

Der Engel, der Zacharias den Namen Seines Sohnes verkündet hatte, hieß selbst Gabriel. Er war einer der beiden dem Namen nach bekannten Engel in der Bibel. Der andere hieß Michael (Strong 4317), d.h. "wer ist wie Gott". Gabriel (Strong 1403) bedeutet wiederum "Mann Gottes", wobei Mann hier für "mutiges Wesen" steht. Dieser göttliche Potentat war viele Jahre zuvor auch dem Propheten Daniel erschienen, um ihm die Bedeutung göttlicher Offenbarungen zu erklären. In einer dieser Erscheinungen wurde sogar die Zeit dieser Begegnung aufgeschrieben. Wir lesen Daniel 9:21: "und während ich noch redete im Gebet, da, zur Zeit des Abendopfers, rührte mich der Mann Gabriel an, den ich am Anfang im Gesicht gesehen hatte, als ich ganz ermattet war." Vielleicht fand diese wichtige Begegnung Zacharias und Gabriels ebenfalls zu dieser Zeit statt. Wir lesen außerdem, dass Gabriel erschienen war:

Rechts vom Altar.

Sicherlich hat auch dieses Detail unserer Geschichte irgendeine Bedeutung. In der Bibel steht die rechte Seite für Rechtschaffenheit, d.h. Ehrlichkeit und Gerechtigkeit; sie steht auch für die Macht, denn die rechte Hand ist stärker und geschickter als die linke. Das Herz eines weisen Menschen sitzt – entgegen der Anatomie – auf der rechten Seite (Prediger 10:2), d.h. auf der Seite der Gerechtigkeit und der Wahrheit. Die Cherubimengel aus Hesekiels Vision der Ehre Gottes hatten auf der rechten Seiten ein Löwenmaul – eine Abbildung der Gerechtigkeit oder der Macht. Die Rechte Gottes dient in der Bibel als Symbol der allmächtigen Wirksamkeit der Handlungsakte Gottes.

Im Heiligen in der Stiftshütte, an der Stelle, an welcher Zacharias das Rauchopfer darbrachte, befand sich gegenüber dem Eingang ein goldener Altar, links davon stand ein Leuchter, und rechts ein Tisch mit den Schaubroten. Wenn Gabriel also rechts vom goldenen Altar erschien, dann war das die Stelle zwischen dem Altar und dem Brottisch. Das auf dem goldenen Altar dargebrachte Rauchopfer ist ein Symbol für das Gebet: "Lass als Rauchopfer vor dir stehen mein Gebet, das Erheben meiner Hände als Speisopfer am Abend." (Psalm 141:2) Auch auf den Broten, die für die geistige Speise Gottes Wortes stehen, befand sich Weihrauch (3 Mose 24:7). Es wurde als Opfer verbrannt, als man am Sabbat die Schaubrote auf dem Tisch austauschte.

Im geistigen Sinne erscheint der Engel, der den Willen Gottes verkündet, zwischen dem Altar des alltäglichen Gebets und dem wöchentlichen Tisch Gottes Wortes bei der Versammlung. Er erscheint auf der Seite der Wahrheit, der Gerechtigkeit, und das ist für uns die Quelle der Macht. Selbst wenn wir bei unseren Gebeten und Studien die wunderbaren geistigen Wesen nicht bemerken, so verkünden uns dennoch Gottes Boten seine Urteile. Wenn wir sie kennen lernen wollen, müssen wir täglich in der Abgeschiedenheit beten und wöchentlich in der Gemeinschaft der Heiligen das Wort Gottes betrachten. Zwischen dem Altar des täglichen Gebets und dem Gemeinschaftstisch des Wortes Gottes erscheinen die Boten des göttlichen Willens.

Liebe Geschwister! Zum Abschluss wollen wir die vier wichtigsten Lehren zusammenfassen, die sich aus der Geschichte der Ankündigung und der wundersamen Geburt Johannes des Täufers ergeben. (1) Von Gott auserwählt zu werden ist eine Ehre, selbst wenn diese Auserwählung Selbstverleugnung, Verzicht auf irdische Genüsse und Leid bedeutet. Wir sollten unsere Missionen, selbst die kleinsten, ohne Murren erfüllen, in der Überzeugung, dass die Wege Gottes die besten sind, selbst wenn wir nicht immer in der Lage sind, sie richtig zu verstehen. (2) Geschlossene Lippen zeugen meistens vom mangelnden Glauben. Wenn wir die göttlichen Geheimnisse kennen gelernt haben, sollten wir an sie glauben, an ihnen festhalten und sie denjenigen verkünden, die sie kennen lernen wollen – in der Gemeinde und außerhalb. (3) Der Name, den uns die Eltern gegeben haben, kann einen kleinen Teil der göttlichen Wahrheit in Bezug auf unser Leben offenbaren. Vor allen Dingen sollten wir aber die Bedeutung unseres neuen Namens erkunden, das von Gott im Himmel niedergeschrieben worden ist am Tag unserer Weihung. (4) Die göttlichen Engel erscheinen auf der rechten Seite der Wahrheit und der Gerechtigkeit, zwischen dem Altar des täglichen, persönlichen Gebets und dem Gemeinschaftstisch des göttlichen Wortes. Wir sollten also morgens und abends beten und die Versammlung, bei der wir das Wort Gottes speisen, nicht vernachlässigen, denn dort verkünden Gottes Boten Seine Urteile.

Möge Gott uns segnen, damit wir in der Lage sind, Gott wie Zacharias zu loben und wie Johannes unsere Mission mit Hingabe und Weihung bis zum Tode zu erfüllen. Amen!

Daniel Kaleta

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