Gedächtnismahl 2006, Ludwigshafen

Pessah – das Fest der Freiheit

Liebe Geschwister!

Schon wieder ist ein Jahr vergangen. Am 22 April vergangenen Jahres feierten wir unseren jährlichen Feiertag. Wir nahmen uns vor, dass wir gleich nach dem Gedächtnismahl die Vorbereitungen für das nächste Abendmahl anfangen würden, damit es bestmöglich gelingt, damit unsere Herzen jeden Tag, aber besonders am heutigen Tag frei werden – von Sauerteig, frei von Bosheit, Falschheit und Schlechtigkeit. (1 Kor. 5:8). Vor ein paar Wochen haben wir angefangen, noch intensiver daran zu denken, wir haben in der Versammlung Angelegenheiten des Pessah studiert. Wir haben angefangen zu überlegen, ob unsere Entgegennahme vom Brot und Wein des Leidens des Gottessohnes würdig sein wird. Und heute ist dieser lang erwartete Tag gekommen. Wieder wollen wir, so wie wir sind, dem Herrn gegenübertreten. Vielleicht ein wenig unvollkommen, vielleicht ein bißchen sündig, aber erfüllt von Demut und Vertrauen in seine Vergebungskraft. Genau deswegen wurde das Opfer des Leibes und Blutes gebracht – damit der unvollkommene, von Glauben erfüllte Mensch an den Tisch des Herren treten kann, um Vergebung zu bekommen, denn er hat es nicht geschafft, sich selbst zu reinigen.

Pessah ist Fest der Freiheit. Es ist ein Fest der Befreiung Israels aus der ägyptischen Gefangenschaft. Können wir uns in die Stimmung der damaligen Tage hineinversetzen? Können wir uns die Kinder vorstellen, die in Nil geworfen und seinen gnadenlosen Fluten ausgeliefert wurden? Sind wir in der Lage, uns vorzustellen, wie groß die Qual der Eltern war, die auf die Geburt ihres Kindes gewartet hatten? So wie man früher hoffte, dass ein Junge, ein Erbe der Familientradition geboren würde, so atmete man nun erleichtert auf, als ein Mädchen auf die Welt kam, denn die Jungen musste man vor dem gnadenlosen Auge des ägyptischen Häschers verstecken. Auch wenn, dank der göttlichen Fürsorge, nicht allzu viele israelische Jungen auf diese Weise gestorben sind, blieb doch die Angst vor dem Schmerz, die an sich schon ein großes Leid ist.

Schwere, abzehrende Arbeit, die nicht zu verkraften war. Der Mensch kann schwer arbeiten, wenn er weiß, dass seine Arbeit die erwünschten Ergebnisse bringen wird, an denen er und seine Nachkommen eine Freude haben werden. Er freut sich, wenn fleißige Hände Wälder einpflanzen, wenn Weinberge und Olivenhaine in der Tageshitze, im Schweiß des Angesichts, entstehen, wenn Gebäude errichtet werden, die noch vielen Generationen dienen werden. Freiwillige Arbeit, auch unter unvollkommenen Bedingungen, muß nicht unbedingt ein Fluch sein. Aber die Arbeit der Sklaven, die Städte für ihre Häscher, die Tempel für fremde Götter bauen, zehrt nicht nur den Körper, sondern vor Allem den Geist ab.

Als Moses nach Ägypten kam, wurde die Arbeit noch härter. Für die Freilassung musste ein hoher Preis bezahlt werden. Da der Pharao den Stamm der Sklaven demütigen will, zwingt er sie, die gleiche Menge von Ziegelsteinen wie früher herzustellen, ohne ihnen neue Rohstoffe zu liefern. Von nun an muss der Sklave nicht nur die Ziegelsteine herstellen, sondern noch den hierfür nötigen Rohstoff besorgen. Es war nicht die Arbeit, die Israeliten vernichtete, sondern die Demütigung, die die Sklavenarbeit mit sich brachte.

Der Verlust der Würde. Ein Sklave konnte ohne Gerichtsverhandlung ausgepeitscht werden. Man konnte ihn töten, ohne dafür bestraft zu werden. Moses verteidigt einmal einen Sklaven, der gefoltert wird und muss, nachdem er den Übeltäter getötet hat, in die Wüste fliehen, um der Rache zu entkommen. Die Erniedrigung ist für einen Menschen manchmal schlimmer als physischer Schmerz. Psychische Wunden schmerzen genauso wie leibliche. Die Bewusstheit des Menschen, dass er kein Recht hat, über sein Schicksal zu entscheiden, quält ihn genauso wie eine schmerzende Hand, ein schmerzender Fuß oder Zahn. Vielleicht quält sie ihn sogar noch mehr.

Es gibt aber eine Form der Erniedrigung und ein Leid, die noch schlimmer sind als alles was wir bisher genannt haben. Es ist der freiwillige Verzicht auf die Freiheit – ein Verzicht auf die Freiheit der Seele und des Geistes, der als bequemer empfunden wird als der Zustand der Freiheit. Ein Mensch, der in Gefangenschaft aufgewachsen ist, ist vor Allem ein Gefangener seines eigenen, der Freiheit beraubten, Geistes.

Früher führte man Experimente durch, die heute nicht vorstellbar wären. Eine Gefangene brachte einmal in einem fensterlosen Raum ein Kind zur Welt und ließ es dort aufwachsen. Das Kind hatte nie einen offenen, großen Raum gesehen. Als man ihm ein Bild zeigte, auf dem ein Weg zu sehen war, der zum Horizont hin immer schmäler wurde, war sein Gehirn nicht in der Lage, die zueinander laufenden vertikalen Linien zu einem perspektivisch korrekten Bild zusammenzusetzen. Dieses Kind sah lediglich eine geneigte, nach oben hin enger werdende Säule. Dem Gehirn fehlten die entsprechenden Erfahrungen, um eine Perspektive anhand eines Bildes rekonstruieren und die dritte Dimension erfassen zu können.

So kann auch ein in Unfreiheit entwickeltes Gehirn den Gegenstand der Freiheit nicht erfassen. Die Notwendigkeit, über sich selbst zu entscheiden, eigenständige Entscheidungen zu treffen wird zu einer sehr schweren Aufgabe. Möglicherweise kann ein solches Gehirn nicht einmal erfassen, was die Entscheidungsfindung ist. Ein Mensch, der in Gefangenschaft aufgewachsen ist und plötzlich in die Freiheit entlassen worden ist, weiß nicht mit seiner Freiheit umzugehen. Er hat sich daran gewöhnt, zwar ein bescheidenes, aber ein regelmäßiges und sicheres Mahl zu bekommen, um das er sich nicht kümmern muss. Jemand hat für ihn Arbeit organisiert, jemand wusste, was man wo erledigen muss; jemand wusste, wann man sich auszuruhen, wann aufzustehen hat. Ein wildes Tier, das in einem Zoogarten auf die Welt gekommen und dort aufgewachsen ist, würde sterben, wenn man es ohne Vorbereitung in die wilde Bahn entließe. Es würde nicht wissen, wie man Nahrung beschafft und würde Raubtieren zum Opfer fallen. Ähnlich verhält es sich mit einem Sklaven, der ohne Resozialisierungsmaßnahmen das Leben in Freiheit nicht meistern kann.

Nachdem die Israeliten die ersehnte Freiheit endlich wiedererlangt hatten, sehnten sie sich während der Wanderung in der Wüste noch oft nach einer bescheidenen, aber sicheren Speise, nach organisierter Arbeit, einer geringfügigen Stabilität. Mit dieser Stabilität ging zwar harte Arbeit einher, aber sie bot eine gewisse Zukunftssicherheit. Als freie Menschen in der Wüste, mussten sich die Israeliten entweder auf die göttliche Gnade oder auf ihre eigene Überlebenskunst verlassen. Weder das eine noch das andere sagte ihnen zu. Als sie in Ägypten waren, hassten sie ihre Gefangenschaft, Erniedrigung, die Sklavenarbeit. In der Wüste konnten sie aber ihre Freiheit nicht in den Griff kriegen.

Pessah bedeutete für sie die Befreiung von alledem. Erst erfuhren sie die physische Befreiung. Unter der Führung Moses flohen sie aus dem Haus der Gefangenschaft. Gott hatte die Truppen Pharaos besiegt, damit sie Israel nicht länger verfolgen konnten. In der Wüste lernten sie ganz allmählich, 40 Jahre lang, wie man ein würdiges Leben führt, wie man Gott in Freiheit loben kann, wie man in Freiheit arbeitet, kämpft und den folgenden Generationen beibringt, in Freiheit zu leben.

Vielleicht wussten sie damals, als sie in Ägypten das Lamm töteten, noch nicht endgültig, was Freiheit bedeutet. Sie kannten nur das Gefühl und den Schmerz der Gefangenschaft, von der sie sich losreißen wollten. Als die Juden aber viele Jahre später das Pessahfest feierten, die Türpfosten mit Blut bedeckten, die bitteren Kräuter, das ungesäuerte Brot und das Lammfleisch schmeckten, dachten sie insbesondere an dem geistigen Aspekt der Befreiung. Sie wussten, dass der Tod des Lammes ihnen Freiheit brachte, die die Grundlage für die Herausbildung einer nationalen Identität war.

* * *

Pessah ist ein Fest der Freiheit. Es knüpft nicht nur an die Befreiung Israels aus der ägyptischen Gefangenschaft an, sondern verkündet die Befreiung der ganzen Menschheit aus der Gefangenschaft der Sünde. Jesus starb als Lamm Gottes vor Allem für die Erstgeborenen, die er schon heute vom Tode bewahrt hat, aber zusammen mit den Erstgeborenen wurden doch alle Israeliten erlöst. Wir, die hier versammelten, möchten als geistige Erstgeborene der ganzen Menschheit noch in der Nacht des Evangeliumszeitalters von jenem Opfer profitieren, das dem Menschen die ersehnte Freiheit im Paradies bietet.

In unserem Leben seufzen wir manchmal, weil es uns vieles schwer fällt. Junge Menschen erwarten voller Sorgen die Geburt ihres Kindes, weil sie nicht wissen, wo sie wohnen sollen. Wenn der "ägyptische" Aufseher erfährt, dass die Familie mehr Personen zählt, als für den zur Verfügung stehenden Wohnraum vorgesehen ist, können sie aus der Wohnung hinausgeworfen werden. Sie fragen sich, ob sie die nötigen finanziellen Mittel aufbringen können, um ihren Kindern eine Angemessene Erziehung und Bildung bieten zu können. Viele ziehen es also vor, keinen Nachwuchs zu bekommen. Millionen, gar Milliarden gezeugter, aber nicht geborener Kinder, werden in die Abflusskanäle des modernen "Nils" geworfen. Der heutige "Pharao" mag auch keine hebräischen Kinder.

Manchmal arbeiten wir bis zur Erschöpfung. Die wenigsten von uns leisten zwar schwere körperliche Arbeit, aber die große Mehrheit von uns besitzt keine Produktionsmittel, keine eigene Werkstatt. Vor nicht allzu langer Zeit bearbeiteten noch die meisten Menschen ihr eigenes Land. Sie arbeiteten in ihrer eigenen "Werkstatt". Heute gehören die meisten von uns, wenn nicht alle, zur Kaste der modernen Paria-Sklaven. Wir tun, was man von uns verlangt. Wir bauen Städte für diejenigen, die uns ausnutzen, erheben Tempel für fremde Götter des Materialismus und der Gewalt. Wir wollen es nicht nun, aber wir sehen uns dazu gezwungen. Wenn wir nach Hause kommen, setzen wir uns vor den Fernseher, weil wir uns zu müde für eine Bibellektüre fühlen.

Der sinnbildliche Moses ist schon nach Ägypten zurückgekehrt. Seit seiner Ankunft arbeiten die Menschen noch mehr, noch länger. Es stimmt zwar, dass es uns viel besser ergeht als den Menschen vor hundert Jahren, aber für unseren Wohlstand bezahlen wir einen hohen Preis an Zeit und Stress. Uns mangelt es ständig an Zeit.

Auch unsere Würde geht irgendwo im Schlamm unserer täglichen Schufterei unter. Um den Arbeitsplatz zu schützen tun wir gelegentlich Dinge, die mit unserem Gewissen unvereinbar sind. Wir haben keine Wahl. Wir gestehen im Gebet uns selbst und Gott unsere Machtlosigkeit ein.

Herr, ich muss doch am Sonntag arbeiten gehen, sonst werfen sie mich hinaus. Wer soll dann meine Familie ernähren? Herr, vergib, ich muss doch dieses verlogene Formular unterschreiben. Ich bin nur ein Sklave und mit einem Sklaven kann man alles tun.

Die schlimmste Form der Sklaverei ist aber die Versklavung der Seele und des Geistes. Manchmal meinen wir, dass wir frei sind, weil wir uns selbst in die Gefangenschaft begeben. Wenn der Hebräische Sklave nach sechs Jahren Zwangsarbeit seinen Herrn nicht verlassen wollte, konnte er sein Ohr durchstechen lassen und bleiben. Es ist ein schönes Bild, ein Bild für die völlige Hingabe im Dienst für Gott und Jesus. Aber kommt es nicht manchmal vor, dass wir uns die Ohren von den ägyptischen Herren durchstechen lassen? In den sozialistischen Ländern kann man beobachten, was Unfreiheit des Geistes bedeutet. Eine Generation muß vergehen, bis die Leute in Freiheit zu leben lernen. Der Stamm der Israeliten, der aus Ägypten herausgegangen war, konnte nicht in Freiheit leben und musste deswegen während der Wüstenwanderung sterben.

Manchmal kann unsere Sklaverei bequem sein. Ein bescheidenes, aber sicheres Mahl steht auf dem Tisch, die Wohnung wird vom Vermieter oder von der Verwaltung der Wohngemeinschaft renoviert, die Arbeit wird von den Vorgesetzten organisiert, die uns jeden Monat ein Gehalt auszahlen, das bis zum nächsten Monat ausreicht. In der geistigen Welt der religiösen Gemeinschaften bevorzugen wir fertige Kommentare oder das Diktat eines Geistlichen dem selbständigen und langwierigen Weg zu den Geheimnissen der Bibel. Die Freiheit ist schwierig. Es scheint einer Regel dieser Welt zu sein, dass alles, was schön und wertvoll ist, harter Arbeit bedarf. Die Wohnung verschmutzt von alleine, räumt sich aber nicht von alleine auf. Das Haus nutzt sich von alleine ab, aber dessen Renovierung bedarf harter Arbeit und eines finanziellen Aufwands. Dummheit kommt von alleine, aber Weisheit muss man in einem langwierigen Lernprozess erlangen.

Deswegen starb das gegenbildliche Passahlamm – unser Herr Jesus Christus. Durch sein Leben zeigte er, was wahre Freiheit ist. Durch seinen Tod befreite er uns aus allen Formen der Gefangenschaft: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen” (Joh. 8:32). Als wir durch Glauben den Sinn und den Wert des Opfers Christi annahmen, als wir unseren Glauben durch das Eintauchen ins Wasser bezeugten, wurden wir aus der Gefangenschaft des Pharaos – Satans – befreit. Wir haben unsere ägyptischen Häuser verlassen, das Rote Meer durchkreuzt und die Wüste der Gemeinschaft mit Gott erreicht. Jetzt, weit entfernt von der Welt und der ägyptischen Verführungen lernen wir allmählich mit unserer Freiheit umzugehen. Wir blicken auf Jesus, der durch seinen Tod zeigte, dass die Menschen nur den Leib töten, den Geist eines freien Menschen aber nicht überwältigen und seiner Seele nicht vernichten können. Dies ist das Leib des Lammes, das wir zu uns nehmen möchten. Er war ein wunderbares Beispiel des freiheitlichen Lebens der Kinder Gottes. Ein Sohn tut aus Liebe das, was seinem Vater gefällt. Er bedarf keines Gesetzes und keines Strafrechts, um Gehorsam zu üben. Der Sohn sorgt sich um das Wohl des Vaters, wie um sein eigenes, denn eines Tages wird er Erbe sein.

Durch das Vergießen des Blutes zeigte Jesus, was der Tod eines freien Menschen ist – es ist ein Ausweg und nicht eine Niederlage. Als Elia und Moses auf dem Berg der Verwandlung über den Tod Jesus sprechen, verwendet Lukas das griechische Wort "exodos” – der Ausgang (Luk. 9:31). Dasselbe Wort verwendet Apostel Petrus, um seinen eigenen Tod zu bezeichnen (2 Petrus 1:12). Der Tod eines freien Menschen ist ein Übergang zur wunderbaren Verheißung der Ruhe: "Glückselig die Toten, die von jetzt an im Herrn sterben!” (Off. 14:13). Diesen Weg der Freiheit hat uns Jesus aufgezeigt. Das Fest einer solchen Freiheit wollen wir heute feiern.

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Die Familiengemeinschaft hat die Ruhe der Abendstunde genutzt, um sich an den Tisch zu setzen. Das vorher vorbereitete Lamm wird nun zu Ende gebraten. An den Türpfosten sieht man Spuren von Blut. Ihre Lenden sind umgürtet, sie halten ihre Stäbe in der Hand. Ein feierliches gespanntes Schweigen. Wurde das Haus gründlich genug von Sauerteig befreit? Ist das Lamm gut durchgebraten, so dass man nichts Rohes essen muss? Der Vater beantwortet die rituelle Frage seines Sohnes: "Vater, warum feiern wir dieses Fest, woher kommt diese Tradition?" "Mein Sohn, vor vielen, vielen Jahren war Israel einmal in der ägyptischen Gefangenschaft. Als der Todesengel die Straßen durchschritt, ging er vorbei an den mit Blut markierten Häusern. Wir töten ein Lamm, damit der Todesengel auch an unseren Herzen vorbeigeht, wenn er alle jene, die in dieser Nacht nicht mit uns wachen, geistig einschläfert.

"Wir waren die Sklaven eines furchtbaren Pharaos, unser Leben war bitter wie Maror, aber Gott hat uns errettet, und wir verließen Ägypten in solcher Eile, dass wir keine Zeit hatten, um große Brote zu backen, wir buken kleine Matzenbrote. Gott hat uns aus der Gefangenschaft herausgeführt und wir sind wie Könige geworden, die sich beim Essen auf Kissen abstützen. Aber wir haben die Zeiten der Gefangenschaft nie vergessen; wenn wir das Gemüse in salziges Wasser tauchen, denken wir an die vergossenen Tränen; wir erinnern uns daran, wie Gott uns herausführte und uns zu einem freien Volk machte. Wir waren Gefangene, doch wir sind freie Menschen geworden.” (Ein Auszug aus der Haggada)

Unsere Lenden sind mit Wahrheit umgürtet. Wir wissen, dass Gott die, die ihn suchen, belohnt. Wir wissen, dass Jesus für alle gestorben ist, dass zu einer gegebenen Zeit auch jene von seinem Opfer profitieren werden, die heute nicht an Ihn glauben oder nicht einmal von Ihm gehört haben. Wir wissen, dass es eine gesegnete Zeit der Auferstehung geben wird und all das, was in Gefangenschaft geraten war und vernichtet wurde, wiederhergestellt wird. Wir wissen, dass durch die Wundermacht des Stabes von Moses wir das Rote Meer des Todes trockenen Fußes durchschreiten werden.

In unseren Händen ist ein Stab, der sich manchmal in eine Schlange verwandelt. Dann packen wir sie kräftig am Schwanz, damit sie wieder dazu dient, Gottes Wunder zu vollbringen. Wenn Angst in unser Leben tritt – die Furcht vor dem Morgen – beten wir, und rufen uns alle Beweise der göttlichen Fürsorge in unserem Leben ins Gedächtnis. Die so gefesselte Angst verwandelt sich dann wieder in einen stützenden Stab. Wenn wir uns in unserem Leben dazu verführt fühlen, nach der verbotenen Frucht zu greifen, rufen wir mit aller Kraft den Herrn an: "Verlasse uns nicht in Versuchung, erlöse uns vom Übel”. Wir wollen nicht Evas Weg einschlagen. Trotz der Angst packen wir die Schlange am Schwanz, damit die nächste Versuchung durch den stützenden Stab abgewehrt werden kann.

In der Schüssel liegt eine Mischung bitterer Kräuter. Unser Leben ist kein Leckerbissen. Je älter wir werden, desto seltener formt sich ein Lächeln in unseren Gesichtern. Wir lachen gerne, aber wir haben immer seltener Gelegenheit dazu. Selbst wenn uns nichts Schlimmes widerfährt, sehen wir das ganze Leid um uns herum. Auch in unserem gebrochenen Leben mangelt es doch nicht an Schmerz. Was sollen wir damit anfangen? Sollen wir die Schüssel von uns wegschieben? Nein. Aus der Hand des Herrn nehmen wir gerne ein in die bittere Soße getauchtes Brotstück. Wir geben zu, dass wir gesündigt haben. Wir leiden still.

Auf dem Tablett liegt ungesäuertes Brot. Ehrlich und wahrhaftig wollen wir in Demut unsere Schwäche, unsere Unvollkommenheit und Sünde eingestehen. Wir suchen wahrhaftig nach deiner Wahrheit, um zu erfahren, wie Du wirklich bist, und wie wir nicht sind, obwohl wir es sein sollten. Es wäre angenehmer für uns, ein durch unsere Sünde gesäuertes Brot zu verzehren, aber wir wissen, dass nur das Erforschen der Ideale der Wahrheit und der Heiligkeit uns deinem Ewigen Tempel näher bringt.

Herr, das ist wohl schon alles, was wir auf unseren Pessahtisch gestellt haben. Zwei Hand voll. Mehr haben wir nicht. Den Rest wird dir Dein Sohn geben. "Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt” (Joh. 1:29). Sein Blut hat unser Haus vor der Wut des Verderbers bewahrt. Sein Blut und sein Leib sind für uns die wahre Nahrung und das wahre Getränk geworden. Sie bringen uns ewiges Leben, das Leben in sich. Herr, gib uns von Deinem Brot. Herr, gib uns von Deinem Trank.

Daniel Kaleta