Speyer 20.03.1999

Gethsemane

Liebe Geschwister!

Es ist bereits dunkel geworden. Dem jüdischen Kalender nach hat gerade der vierte Tag des Monats Nisan begonnen. In zehn Tagen werden wir das Passahmahl unseres Herrn feiern. Nur noch zehn Tage sind uns geblieben, um uns auf den größten Feiertag im christlichen Kalender vorzubereiten.

„Denn sooft ihr dieses Brot eßt und den Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn„ – schrieb Apostel Paulus an die Brüder in Korinth (1 Kor 11:26). Wir wollen auch heute über den Tod Messias sprechen. Und sein Tod – das ist doch nicht allein der Moment, in welchem Er am Kreuz starb. Jesus starb drei ein halb Jahre, 1260 Tage und Nächte lang. Eine von diesen Nächten beschrieb mit blutigen Buchstaben die Seiten des Evangeliums.

„Dann kommt Jesus mit ihnen an ein Gut, genannt Gethsemane, und er spricht zu den Jüngern: Setzt euch hier, bis ich hingegangen bin und dort gebetet habe. Und er nahm den Petrus und die zwei Söhne des Zebedäus mit und fing an, betrübt und geängstigt zu werden. Dann spricht er zu ihnen: Meine Seele ist sehr betrübt, bis zum Tod. Bleibt hier und wacht mit mir! Und er ging ein wenig weiter und fiel auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.” – Mt 26:36-39

Gethsemane war für den Menschensohn eine Erfahrung außergewöhnlicher Art. Es war eine Prüfung der Trauer, der Erschöpfung, der Angst und der Einsamkeit, gleichzeitig war es eine Erfahrung des Betens, Wachens, Stärkens und der Kraft. Jesus litt, doch er wurde getröstet, er war schwach, doch er wurde gestärkt, er war einsam, doch er verspürte die Gemeinschaft mit Gott.

Gethsemane – das ist ein Ort, der für immer mit dem großen, einsamen Leid unseres Meisters bezeichnet ist. Dennoch können wir sagen, daß Gethsemane in einem gewissen Ausmaß das Symbol einer Prüfung bestimmter Art geworden ist, die in einem kleineren oder größeren Grad auch andere Männer Gottes teilten.

Der Patriarch Jakob soll in Mahanajim die Grenze Kanaans überschreiten. Hinten Jabbok wartet auf ihn sein Bruder mit seine vier hundert Soldaten. Jakob hat Angst vor dieser Begegnung. Er führt seine Frauen und Kinder über den Fluß, bleibt selbst jedoch am anderen Ufer zurück und kämpft die ganze Nacht mit dem Engel Gottes, um Gottes Segen zu erhalten. Er geht mit einer körperlichen Behinderung aus diesem Kampf, aber er bekommt ein Name Israel und wird Vater eines riesigen Volkes.

Apostel Paulus ist zum zweiten Mal in römischer Gefängnis. Er weiß ganz genau, daß es aus diesem Gemach nur einen Fluchtweg gibt – den Weg zum Tod. In der Gefängniszelle schreibt er noch einen letzten Brief an seinen Sohn Timotheus, in welchem er traurig gesteht „Alle verließen mich”. Derjenige, der eine Stütze war, kämpfte, half, war am Ende, wie Jesus, mit seinem Leid allein.

Jeder von uns erfährt manchmal sein eigenes Gethsemane. Wenn wir einer Gefahr gegenüber stehen, wenn unser Glauben manchmal unter dramatischen Umständen auf eine Probe gestellt werden soll, wenn wir Gott darum bitten, daß statt des Morgens gleich das Übermorgen kommen möge.

Kämpfen wir in solchen Situationen auch mit einen Engel, wie der Patriarch Jakob? Kümmern wir uns um andere, wie Apostel Paulus es tat, richten wir mit starkem Geschrei und Tränen unsere Gebete der Dankbarkeit und der Lobpreisung an Gott, wie Jesus es in Gethsemane tat? (Hebr 5:7)

Und er kommt zu den Jüngern und findet sie schlafend; und er spricht zu Petrus: Also nicht eine Stunde konntet ihr mit mir wachen? Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt; der Geist zwar ist willig, das Fleisch aber schwach.” – Mt 26:40-41

„Wacht und betet”. Gethsemane ist eine Prüfung des Betens und des Wachens. Selbst wenn alle uns verlassen sollten, wird unser Schutzengel bei uns sein. Sollen wir den Kopf senken und sagen: „Ich habe keine Kraft mehr”? Sollen wir zweifeln? Kann uns etwas von der Liebe Gottes scheiden, wenn in unserem Gethsemane Jesus mit uns wacht?

„Wacht und betet” – laßt uns diese Worte zum Motto der nächsten Tage, die dem Abendmahl vorausgehen, ernennen. Laßt uns diese Worte zu unserem Lebensmotto machen, damit aus unseren Gärten Gethsemane die Wonne eines Gebets der Dankbarkeit immer zu Ihm fließen möge.

Daniel Kaleta